Füttern

Die Verdauung der sonst so robusten Weidetiere ist empfindlich und auf das Angebot der jeweiligen Jahreszeit, das sie auf ihren Weideflächen vorfinden,  eingestellt. Leider ist die Gesundheitsgefährdung durch Fütterung keine Einbildung – es gab auch schon auf genau diesen Weideflächen lebensbedrohlich erkrankte Tiere. Die Folge sind Kosten für den Tierhalter – Geld, das dann nicht mehr anderweitig in Tierwohl investiert werden kann. Auch eine intensivere Kontrolle auf erkranke Tiere erfordert Personal – hier steht die Bürgerinitiative hilfreich zur Seite.

Das Problem: Für uns Menschen als Allesfresser ist es nicht selbsterklärend, wieso eine Fütterung den Pflanzenfressern schaden soll. Doch genau dieser Unterschied ist es, der den Tieren das friedliche Leben in der Natur ermöglicht, während wir auf Jagd oder Ackerbau angewiesen sind. Die robusten Weidetiere sind zwar weit weniger sensibel als hochgezüchtete Reitpferde. Aber besonders, wenn in der Hast sogar ganze Plastiktüten mit gefressen werden ist das Leben der Tiere in Gefahr.

Hier der”Beipackzettel” zum Verbot der Behörden -zusätzlich weist die BI auch vor Ort an Toren und Zäunen mit eigenen Schildern in Kurzform auf die Gründe hin.

 

Um zu erkennen, wieso Füttern die Verdauung durcheinander bringt reicht es aus das Leben der Weidetiere beobachten. Und hier eignen sich die öffentlich begehbaren Weideflächen ideal.

  • Fütterung durch Besucher ist unregelmäßig:  Die Helikopter-Perspektive vom kurzen Besuch bei schönem Wetter zeigt nicht, wie die Tiere wirklich leben – an 24 Stunden am Tag, 7 Tagen die Woche, 365 Tagen im Jahr. Bei den Weidetieren summiert sich “nur ein Möhrchen” von jedem Besucher an sonnigen Wochenenden zu großen Mengen – gefolgt von Tagen, an denen es überhaupt kein externes Futter gibt. Denn anders als bei Reitpferden ist der Kontakt zu Menschen nicht geplant oder regelmäßig.
  • Fütterung entspricht meist nicht der Anpassung an die Jahreszeit: Die Weidetiere stellen sich langsam auf das natürlich wechselnde Futterangebot ein, die Verdauung kann entsprechend angepasst werden. Aus diesem Grund haben “Wild”pferde auch manche Probleme von Reitpferden wie Hufrehe nicht. Jedes andere Futter kann dese allmähliche Anpassung zerstören, selbst in kleinen Mengen. Eine Ausnahme wäre z.B. wenn zur Apfel-Zeit Fallobst auf die Weide geworfen wird, von dem ein Teil hinter dem Zaun gelandet ist – dies ändert nur die Menge des Futter-Angebotes, aber nicht die Art.
  • “unsichtbare” Auswirkungen:  Anders wie auf manch hysterisch wirkenden Schilder-Wäldern an Reitkoppeln impliziert fällt ein Pferd nach Verzehr eine Möhre nicht sofort tot um. Die Folge von falschem Futter kann auch eine Schwächung des Allgemeinzustandes, sein, die die Lebensqualität senkt, andere Erkrankungen begünstigt und somit zu Leiden oder sogar Tod führt.
  • verzögerte Auswirkungen: Der Extremfall ist die u.a. von Fehlfütterung ausgelöste Kolikals Fehlfunktion des fein austarierten Verdauungstraktes. Bei den Pflanzenfressern immer ein Notfall, und wenn erste Maßnahmen nicht helfen gibt es für Weidetiere keine teure Operation. In jedem Falle ist der fütternde Besucher längst wieder zu Hause, wenn es ein Problem gibt – und die Legende “schadet nicht” hält sich.

Erschwerend ist: Fluchttiere versuchen Verletzungen und Schmerzen zu verstecken, um sich nicht als leichte Beute erkennen zu geben. Untypisches Verhalten ist erst dann erkennbar, wenn man das typische Verhalten kennt. Daher ist es ohne Kenntnis der individuellen Tiere nicht trivial zu sehen, ob ein Pferd in einem lebensbedrohlichen Zustand ist. Liegende Tiere sind zudem schwer aus der Ferne sichtbar, geschweige denn in “gesund” oder “krank” unterscheidbar. Ohne entsprechende Sensibilität könnte man zur Diagnose kommen: “Das ist Natur”.

Durch die Bürgerinitiative konnten schon mehrere Weidetiere rechtzeitig gefunden und eine tierärtztliche Lebensrettung veranlasst werden. Wer einmal ein so leidendes Weidetier gesehen hat weiß, dass es nicht notwendig ist durch Fütterung ein solches Risiko einzugehen.

 

Doch Füttern schadet nicht nicht nur die Gesundheit der Tiere, sondern es gibt weitere Kollateral-Schäden:

  • Landschaftspflege: Die Weidetiere sind Teil des Vertragsnaturschutzes, ihre Aufgabe ist die Offenhaltung der Flächen. Auch und besonders in “kargen” Jahresperioden ist ein Erhalt des “Fraßdruckes” wichtig – die Tiere finden genug Futter, sind aber den ganzen Tag mit der Suche beschäftigt. Eine Zufütterung stört dieses System, und entzieht den Weidetieren letztlich den Grund wieso sie relativ frei und artgerecht leben dürfen.
  • Futterneid: Im natürlichen Jahresverlauf ist für alle Pferde immer gleichmäßig viel Futter da. Die Weidetiere leben energiesparend und haben selten Anlass zu Streitereien.
    • Störung der Sozialbeziehungen. Durch punktuelles Angebot einzelner “Leckerli” werden die fein austarierten und eingespielten Beziehungen destabilisiert.  Den Pferden wird der Dreh- und Angelpunkt ihres Lebens genommen: eine stabile und harmonische Herde. Mit Besuch von anderen Säugetieren von Wildschwein bis Mensch können die Tiere hingegen gut umgehen.
    •  Verletzungen vom Weidetieren. Pferde sind sehr umsichtige Tiere – selbst wenn Hengste kämpfen entfernen sie sich von der Herde, um niemanden zu verletzen. Kritisch kann es nur werden, wenn Hektik aufkommt und die Räume eng sind – z.B. wenn am Zaun gefüttert wird und die Tiere sich im Pulk drängen. Durch Bisse oder Tritte können (Jung)tiere verletzt werden, die ungünstig im Fluchtweg von rangniedrigen Tieren stehen.
  • Verhalten gegenüber Besuchern: Die Tiere sind gerade in ihrem natürlichen Lebensrhythmus sehr verträglich, und auf öffentlich begehbaren Flächen besteht absolut keine Notwendigkeit sie mit Futter anzulocken.
    • “Aufdringlichkeit”: Pferde pflegen und beschützen sich gegenseitig, aber Pferde füttern aus Zuneigung keine anderen Pferde. Nur Menschen füttern Pferde. Dieses Verhalten ist artfremd und wirkt daher stark konditonierend. Wer die Weidetiere in natürlicher Umgebung beobachten will, passt daher das eigenes Verhalten an das der Weidetere an. Manche Besucher können sogar Angst bekommen, wenn Pferde ihre Taschen nach Futter durchsuchen wollen.
    • Gefährdung: Rinder haben spitze Hörner – wenn es in Deutschland bei Menschen schwere Verletzungen oder sogar Todesfälle gibt, dann durch Kühe. Im Gegensatz zu Pferden ist die Mimik und das Verhalten von Rindern zudem wenig intuitiv. Und Rinder können auch bei Menschen tatsächlich auf “Angriff” schalten, während Konik-Pferde sich darauf beschränken Hunde zu vertreiben.

Daher: Bitte füttern Sie die Weidetiere nicht – und machen Sie andere Besucher auf diese Informationen aufmerksam.